Wanderfahrt Lahn 2019

Lahn 2019 0226

Zwanzig Ruderer vom Ruderverein Esslingen und dem Tübinger Ruderverein wollten das verlängerte Wochenende an Himmelfahrt nutzen, um auf der Lahn - einem der sehenswürdigsten und romantischsten ruderbaren Flüsse Deutschlands - von Wetzlar bis Lahnstein zu rudern. Bereits am Mittwoch vor dem Feiertag begann das große Packen: der Wanderruderhänger musste von der letzten Regatta auf Normalmaß rückgebaut werden. Die Boote wurden abgeriggert und aufgeladen und der Kühlschrank im Küchenhänger festgezurrt. Die Getränke sollten während der Wanderfahrt nicht ausgehen (Katastrophe!) oder gar warm werden. Am Donnerstag versammelten sich dann alle Teilnehmer um 7 Uhr in der Früh um Ralf Stürner und lauschten den Planungen und Anweisungen. Das Gepäck und die Vorräte waren flott verstaut und die Fahrt nach Wetzlar konnte beginnen.

Lahn 2019 01Am Festplatz in Wetzlar war schon einiges los. Eine weitere Rudergruppe aus Lingen riggerte ihre Boote auf, um ebenfalls die Lahn runterzufahren.

Mit geübten Griffen waren die Boote schnell startklar. Nur leider war der rote Deckel der Dose verschwunden, in der die Stemmbrettschrauben transportiert wurden. Wolframs Ansage war: „Es steigt keiner ins Boot, bevor der Deckel nicht wieder da ist!“ So schwärmten alle an die Boote und durchsuchten jeden Winkel, schauten unter die Fußbretter und die Persennings. Da dieses Deckelchen sich hartnäckig versteckt hielt, mussten wir wohl oder übel trotzdem die Boote zu Wasser lassen. Da am Vorabend ein Tübinger Ruderer sich krankgemeldet hatte, musste Conny in Windeseile die Boots- und Landdienstplanung neugestalten, sodass wir mit nur zwei Personen im Landdienst auskamen und alle Boote voll besetzt waren. Conny und Ralf Stürner begannen, die vier Fahrzeuge und zwei Hänger im Pendelverkehr von Wetzlar zum Etappenziel in Weilburg zu befördern.

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Schnell stellten wir fest, dass die Lahn nicht nur ein reizvoller Fluss für Ruderer ist, sondern dass sie auch bei Paddlern äußerst beliebt ist. Angesichts des Vatertags waren einige Kanus mit Biervorräten gut bestückt. Bereits nach vier Kilometern erreichten wir die erste Schleuse. Die Kammer der Selbstbedienschleuse war so schmal, dass wir nur mit beidseitig langgezogenen Skulls einfahren konnten. Mit etlichen Paddlern wurde die Schleuse noch gut aufgefüllt, so dass es beinahe unmöglich war umzufallen. Und bereits einen Kilometer weiter überraschte uns die nächste Schleuse – hätten wir die Gewässerbeschreibung richtig angeschaut, wäre das klar gewesen. Die „Panik-Paddler“ machten den Steuerleuten das Leben richtig schwer. Kreuz und quer paddelten sie mit ihren bunten Kanus und Kajaks vor unseren Ruderbooten hin und her und wechselten im letzten Moment die Richtung. Plötzlich hieß es „Plan über Bord!!“. Eine Windbö hatte Ulrike den Plan der Fahrtenbeschreibung aus der Hand gerissen und ins Wasser geweht. Alle Rettungsversuche im nachfolgenden Boot blieben vergebens – der Plan ging unwiederbringlich unter. Gut, dass es noch die Liste mit den km-Beschreibungen gab.

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Das Anlegen an unserem Tagesziel am Ruderverein in Weilburg war eine problemlose Sache. „E. Engel“, „Helene Biedenbach“, „Schwaben II“ und „Staffelsteiger“ konnten sich schön auf die Wiese legen lassen. Ein Teil der Gruppe stellte sich in dem Ruderverein unter die manchmal überraschend kalten Duschen (für die Damen), während der andere Teil zum frisch machen in ihre Ferienwohnung oder Pension in Diez fuhren. Die Übernachtungsunterkunft in Diez bei der Paddlergilde stellte sich für die 12 mit Schlafsack als sehr beengt heraus. So legte Ulrike ihre Luftmatratze unter einen Tisch, während Bernhard hinter dem Tresen und Stybi vor der Herrentoilette ihre Feldbetten aufstellten. Und ja: die Aufstellungsorte waren rein zufällig gewählt!

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Frisch gewaschen und sehr hungrig trafen wir uns im Nassauer Hof, einem armenisch-deutschen Restaurant in der Altstadt von Diez. Der Koch war anscheinend mit einer Gruppe von zwanzig Personen komplett überfordert, so dass die Bedienung ankündigte, die Bestellungen würden in zwei Etappen zu je zehn Essen bearbeitet. Heinz Kleemann hat uns in anschaulichen und interessanten Worten Wissenswertes über die Lahn, die Emser Depeche und über Diez erzählt. In der Paddlergilde gab es als Absacker einen wunderbaren Haselnussschnaps von Frank M. für das Neuwasser.

Freitag früh hatten die Ferienwohnungs- und Paddlergilde-Ruderer eine etwas uneinheitliche Planung zum Treffpunkt. Während die FeWo-Ruderer sich den prächtigen Garten von der hochmittelalterlichen Burg Grafenschloss anschauten und ständig auf das Eintreffen der beiden roten Stadtmobile warteten, bogen diese auf dem direkten Weg beim Ruderverein Diez zu den Booten ein. Schließlich waren aber alle auch dieses Mal wieder glücklich vereint und nachdem auch der rote Deckel unter der Persenning wiederauftauchte, waren wir startklar für den zweiten Tag auf der Lahn.
Alle wurden mit Schwimmwesten ausgestattet. Vor uns lag der Weilburger Schifffahrtstunnel. Es ist der längste und älteste (1847) noch befahrbare Schifffahrtstunnel Deutschlands. Er unterquert in einer Länge von etwa 195 m den Mühlberg, auf dem die Stadt Weilburg liegt. Die Durchfahrt ist so schmal, dass wir zumindest einseitig langnehmen mussten. Mit der anderen Seite brachten wir die Boote in kurzen Schlägen vorwärts, während der Bugmann mit dem Stechpaddel den Abstand zur Tunnelwand wahrte. Zum Glück stand das Schleusentor am Tunnelende offen, so dass wir gleich in die erste Kammer der Koppelschleuse einfahren konnten. Auch dieses Mal wurde die Schleuse bis auf das letzte Fleckchen mit Paddlern aufgefüllt.
Steffen meinte, dieses Spektakel sei der Richtige Moment für ein Fotoshooting. Bei beidseitig langgezogenen Skulls stand er im Staffelsteiger auf, um den Überblick zu bekommen. Ulrike reagierte leicht angespannt auf diese Aktion. Sie konnte den unerschütterlichen Glauben Steffens an die Kippsicherheit des Bootes nicht teilen.

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Aus dem Tunnel hinter uns erklangen plötzlich vielstimmige Rufe. Weitere Paddler waren in den Tunnel eingefahren und warteten nun hinter dem geschlossenen Schleusentor auf Einlass. Der Umzug in die zweite Schleusenkammer war problemlos. Endlich konnten die ersten Boote wieder auf die freie Wasserfläche der Lahn fahren. Zwei unserer Boote lagen noch ganz hinten in der Kammer, als sich plötzlich ein riesiger Schwall Wasser Bahn brach, durch sich öffnende Füllklappen hinter ihnen. Die ungeduldigen nachfolgenden Paddler hatten begonnen, die Klappen zu öffnen, ohne sich zu vergewissern, ob die folgende Schleusenkammer bereits leer ist. Lautes Gebrüll zeigte ihnen schnell ihren Fehler und sie schlossen das Tor sofort wieder. Das war noch einmal gut gegangen!
Auf unserer Weiterfahrt flüchtete sich vor uns ein mittelgroßes haariges Tier Richtung Ufer. Die zoologischen Mutmaßungen daraufhin erstreckten sich von Biber, über Nutria und Bisamratte bis hin zum Meerschweinchen. Aber da das Tierchen uns (im Gegensatz zu einigen, sich erleichternden Ruderern) nicht den Schwanz gezeigt hatte, blieben wir im Unklaren.

Lahn5 2019

Immer wieder treffen wir in den Schleusen die gleichen Paddler. Ein kräftig gebauter „Ranger“, der allein in seinem Kanu den Fluss befuhr war mit seiner leuchtenden Schwimmweste nicht zu übersehen. Auch das weiße Plüschhäschen auf dem Bug eines anderen Kanus fanden wir besonders possierlich.
Auch an diesem Tag warnte die Gewässerbeschreibung uns rechtzeitig vor Flachwasser- und Strömungsstellen, Buhnen und Steinen in der Flussmitte. In Villmar wartete bereits der Landdienst mit einem wunderbaren Mittagsvesper auf uns. Da bereits so viele Paddler bei unserer Weiterfahrt vor der nächsten Schleuse warteten, ruderten wir zu einem schattigen Plätzchen und beobachteten das muntere Treiben. Der Gewässerkatalog hielt für uns zu dieser Schleuse folgende Information bereit: „Bei Ausfahrt aus dem Schleusenkanal! starke Strömung von links (Wehrüberlauf), unbedingt links halten trotz seichter Stellen in Schleusenkanalmitte; möglichst vorher ansehen.“ Mit vielen guten Ratschlägen im Gepäck machte sich Helene Biedenbach unter dem Steuer von Melanie als Erstes auf die knifflige Fahrt. Zuerst sah ja alles ganz gut aus, aber komischerweise wurde das Boot nicht von der enormen Strömung erfasst und fuhr mit kräftigen Schlägen Bug voran in die Büsche. Das zweite Boot konnte knapp ausweichen und die Skulls touchierten lediglich steuerbords ein wenig die Steine. Melanie hingegen gab mit großen Augen die Anweisungen für eine flotte Wende, damit die Helene wieder Bug voranfahren konnte. Und wieder war eine schwierige Situation souverän gemeistert.

Lahn11 2019

Bis Lahn-km 70 waren Stromschnellen und seichte Bereiche häufig unsere Begleitung. Erst danach ist die Lahn für 200 t-Schiffe voll ausgebaut. Die Paddler verschwinden ab dann beinahe, dafür kamen uns immer mehr Motorjachten entgegen.
In der Schleuse Runkel beglückte uns Heinz Kleemann mit seinen schon legendären Gesangskünsten. Kurz darauf ließen wir den Naturpark Hoch-Taunus hinter uns. Ab Limburg gibt es keine Selbstbedien-Schleusen mehr. Hier mussten wir ewig warten und befürchteten schon, der Schleusenwärter wollte uns nicht durchlassen. Schließlich kam ein enormes Ausflugsschiff aus der Kammer und wir konnten weiter flussabwärts.
Auf einmal waren wir bei schönstem Sommerwetter von Schneegestöber eingehüllt, das uns auch noch heftig niesen ließ. Es waren die zarten Blütenpollen von Pappeln. Lange konnten wir dieses Schauspiel aber nicht bestaunen – wir mussten eilig weiter. Die letzte Schleuse des Tages vor Diez sollte um 18:15 Uhr schließen. Nach siebenunddreißig zurückgelegten Tageskilometern wurden die letzten sieben km im Sprint zurückgelegt. Keiner hatte Lust, an diesem Abend noch die Boote bis zum Ruderverein zu umtragen. Die gesteuerten Vierer haben es alle pünktlich geschafft, nur der gesteuerte Zweier schlupfte mit gerade einmal zwei Minuten Verspätung in die Schleuse. Das war ein grandioser Abschluss dieses Rudertages.

Lahn10 2019

Nachdem alle Boote gut verstaut und die Ruderer frisch geduscht waren, war es schon Zeit fürs Abendessen. In der Pizzeria La Piazza herrschte augenblicklich tiefes, gefräßiges Schweigen, als das Essen an den Tisch gebracht wurde. Nach so einem Tag war der Hunger bei allen richtig groß.

Der Samstag begann wieder mit Umplanung der Boots- und Landsdienstbesatzungen. Frank E. hatte in der vorigen Nacht Schüttelfrost und war daher nicht ruderfähig. Annette nahm seinen Platz im Boot ein und los ging es in den Naturpark Nassau. Nach vier Kilometern konnten wir die Abfüllanlage für Mineralwasser in Fachingen sehen. Gleich am frühen Morgen entdeckten wir eine Wasserschildkröte, die sich auf einem Stück Holz in Ufernähe sonnte. Auch Hase, Reh und bunte Libellen sowie lustige Schmetterlinge waren zu sehen.
Der erste Schleusenwärter des Tages war ein strenger Mann: er schickte uns hinter die Wartelinie zurück, bis er das Tor für uns öffnete und gab uns in der Schleusenkammer Belehrungen über das richtige Schleusen.
Wir kamen so flott voran, dass Ralf Stürner bald beschloss, den Mittagshalt um eine Schleuse weiter flussabwärts zu verlegen. Leider war der Landdienst nicht telefonisch oder per SMS zu erreichen. Am geplanten Treffpunkt sahen wir das feuerrote Stadtmobil auf einem Parkplatz stehen. Ralf entschloss sich, einen Zettel mit entsprechenden Informationen an den Scheibenwischer zu hängen. Bei der Gelegenheit wurde er vom Kioskbetreiber nebenan gestellt, der ihn darauf hinwies, der Parkplatz sei gebührenpflichtig und er solle das Fahrzeug wegfahren. Das ist gar nicht so einfach, wenn man keinen Schlüssel dafür hat. Trotz Drohung, der Bus würde abgeschleppt werden, musste Ralf ihn stehen lassen. Er versprach, der Fahrer würde die Parkgebühr nachträglich entrichten.

Lahn8 2019

Eine Wasserskistrecke kennen wir ja aus unserem Ruderrevier. Diese hier, bei Lahnkilometer 104 kann aber sogar mit einer Sprungschanze aufwarten. Leider (oder zum Glück) waren aber keine Wasserskifahrer unterwegs.
Das Mittagessen in Obernhof startete ein wenig verspätet, da wir den Landdienst erst ans Telefon bekamen, als wir gerade beim Anlegen waren. Das Warten im Schatten unter Bäumen war dennoch kurzweilig – auf der Lahn gibt es immer etwas zu sehen. Im näheren Umfeld der Städte sind doch wieder verstärkt Paddler oder Tretboote unterwegs. Jugendliche warfen sich mutig in die kühlen Fluten. Es war ja auch bereits erheblich warm geworden – das Thermometer näherte sich der 30-Grad-Marke. Heinz Kleemann beschloss daher, ob der Luftigkeit und gegen die Sonneneinstrahlung im weißen Herrenhemd zu rudern.

Lahn12 2019

Frisch gestärkt ging es weiter Richtung Bad Ems. Die Mannschaft im „Engel“ hatte sogar noch Zeit, sich im Riemenrudern zu übern. Insbesondere für die Tübinger eine interessante, neue Erfahrung. Da die beiden Doppelfünfer aus Leverkusen bereits vor uns in Bad Ems angelegt hatten und auch Quartier im Ruderverein hatten, mussten wir unsere (nicht sehr handlichen) Boote 200 m die Straße entlang und durch eine Hecke auf einen Grünstreifen an der Promenade legen. Die Heimfahrt von Bad Ems nach Diez war eine sehr kurvige Angelegenheit, was Ulrikes Magen nicht sehr behagte und sie sich vom Abendprogramm abmelden musste.

Das Essen am Vorabend hatten allen so gut geschmeckt, dass wir auch am Samstagabend in die gleiche Pizzeria einkehrten. Dieses Mal hatte uns der Wirt den Tisch bereits im Garten gedeckt. Jede Bestellung bestätigte er mit einem freundlichen „ja, mein Lieber!“. Alle, mit Ausnahme unserer inzwischen zwei Kranken, nahmen zusammen einen nächtlichen Absacker bei der Paddlergilde.

Lahn WanderKarte 2019

Bevor wir die letzte Etappe von Bad Ems nach Lahnstein in Angriff nahmen, riggerten wir den Staffelsteiger ab und verluden ihn auf den Bootshänger. Da alle mitgebrachten PKWs bewegt werden mussten, wurde der Landdienst auf fünf Personen aufgestockt. Bad Ems galt im 17./18. Jahrhundert als einer der berühmtesten Badeorte Deutschlands. Der Ort erlebte seine Glanzzeit im 19. Jahrhundert als „Weltbad“ und Sommerresidenz zahlreicher europäischer Monarchen und Künstler. Das konnten wir am Sonntagmorgen bestaunen, als wir am Spielkasino, dem Russischen Hof, der goldglänzenden russischen Kirche und der Malbergbahn vorbeiruderten, einer Standseilbahn, die jedoch seit 1981 aus technischen Gründen nicht mehr verkehrt.
Unsere zwölf Abschiedskilometer auf der Lahn waren durchsetzt mit vier Schleusen. Da diese ihren Betrieb erst um 10 Uhr aufnehmen, standen wir vor der Ersten mit etlichen Motorjachten Schlange, die sich aus den zahlreichen Marinas auf den Weg in Richtung Rhein machten. Die Schleusen waren rappelvoll bestückt, so dass man kaum eine Möglichkeit hatte, sich irgendwo mit dem Bootshaken festzuhalten. In der Anfahrt auf Lahnstein gewährte uns Albrecht immer wieder kurze Schlagpausen, damit wir uns umdrehen konnten, um die Burg Lahneck zu bewundern.

Lahn Gruppe 2019

Am Ruderverein Lahnstein verabschiedeten wir uns von der Lahn und riggerten die Boote schnell ab. Alles wurde schnell verpackt, bevor ein schönes Mittagsvesper und eine erfrischende Dusche uns erwarteten. Wenige hundert Meter von unserem Rastplatz entfernt konnten wir die großen Frachtschiffe auf dem Rhein entlangfahren sehen. Im Hintergrund prunkte das Schloss Stolzenfels über dem Fluss. Der Tag und eine erlebnisreiche Wanderfahrt ging im Ruderverein Esslingen mit allgemeiner Bootspflege und großem Aufräumen zu Ende. Alle haben die Fahrt auf diesem romantischen Fluss sehr genossen und sind mit ein paar Schwielen mehr in den Händen, dafür mit einer Menge wunderbarer Eindrücke beschenkt worden.

Bericht: Annette Hummel und Melanie Schröer
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