38. Trimmfahrt in Südfrankreich
Im Sommer 2012 wurde die Idee geboren, während einer der nächsten Wanderfahrten in der Camargue also Südfrankreich zu rudern. Südfrankreich verbinden viele mit Sommer, Sonne und warmen Temperaturen. Als Ruderrevier bieten sich aber auch die Rhone, die Kanäle und Seen der Camargue sowie der Canal du Midi.
Die Umsetzung einer Planung war allerdings etwas schwieriger: Zu berücksichtigen waren Wetter- und Windbedingungen, eine Ruderstrecke von 300 – 350 Kilometer, Quartiere am besten bei den Booten, Einsatzstellen und wenn möglich wenig Zwischentransporte der Boote.
Anhand von einigen wenigen Berichten wurde schnell klar, dass Ruderboote auf der Rhone und auf den angrenzenden Kanälen nicht geschleust werden. Daher erklärte sich der Author bereit, eine Streckenbereisung mit dem Fahrrad vorzunehmen und ein besonderes Augenmerk auf die Schlüsselstellen zu haben.Der erste Plan war oberhalb von Avignon in der Rhone zu starten. In Arles sollte die Petit Rhone bis zum Mittelmeer bei Saintes Maries de la Mer folgen. Nach einem Umsetzen in den Canal de Rhone et Sete über den Etang de Thau und ein Stück des Heraults sollte das Ziel auf dem Canal du Midi sein. Die geplanten zwei Tage auf der Rhone wurden mit dem Argument „das ist nicht richtig schön“ abgelehnt. Gleichfalls wurde von externen Südfrankreichfahrern von den Winden aus der groben Richtung Südwesten gewarnt.Daraus ergab sich die folgende entgültige Planung für die Fahrt vom 31.08.2013 –07.09.2013. Gestartet wird auf dem Canal du Midi bei Trebes. Carcassonne mit der Altstadt „La Cite“ – unter dem Schutz der Unesco; ebenso wie der Canal du Midi selbst – ist ganz in der Nähe und Ziel des abendlichen Kulturprogramms. Beziers mit dem wahrscheinlich ältesten schiffbaren Wasserkreuz über den Orb und den 9 Schleusen ist das Ziel am Sonntag. Dienstag verlassen wir den Canal du Midi über den Etang de Thau und rudern auf dem Canal du Rhone et Sete. Der Etang de Thau ist sehr windanfällig; daher ist für die Halbetappe als Alternative der Besuch des ehemaligen Zisterzienserklosters und heutigen WeingutsValmage geplant. In diesem Fall werden die Boote in Agde aufgeladen und wieder in Sete zu Wasser gelassen. Die beiden Schleusen des Canals du Rhone et Sete werden nicht geschleust, daher wird ca. 7 Kilometer vor der Rhoneschnittstelle bei Beaucaire aufgeladen und unterhalb von Beaucaire in die Rhone eingesetzt.
Zuvor wird die sogenannte Camargue durchquert – bekannt durch die Salzgewinnung sowie Sumpf- und Brackwasserlandschaften mit Flamingos und anderen Vögeln. Ziel ist am 06.09.2013 am frühen Nachmittag das Mittelmeer bei Saintes Maries de la Mer, das über die Petite Rhone erreicht wird. Damit nicht am Samstag die gesamte Strecke vom Mittelmeer nach Esslingen zurückgelegt werden muss, startet am Freitag die Teilrückreise bis vsl. Condrieu ca. 10 km rhoneabwärts von Esslingens Partnerstadt Vienne.Die beiden Kanäle sind Privatgewässer, so dass für das Berudern keine Genehmigung der Wasser- und Schifffahrtsbehörde erforderlich ist; für die Rhone gilt das allerdings nicht. Durch verschiedenen Mailverkehr mit Tourismusbehörden und Schifffahrtsbehörden natürlich im französischen Urlaubsmonat August hat Ralf Stürner mittlerweile nach x Versuchen eine Email erhalten, die so etwas wie einen „Permit“ darstellt.
Insgesamt stellen sich 13 Teilnehmer der Herausforderung Südfrankreich:
- Ralf Stybalkowski betraut mit der Fahrtenleitung,
- Wolfram Strehler – Lademeister, Foto, Film und Koch
- Albrecht Hannig – stv. Fahrtenleitung /Küche,
- Ralf Stürner – Finanzen,
- Frank Maschiwitz – Boote /Werkzeuge,
- Achim Lempart – Elektrik/ Mietbusse,
- Mathias Kötter – Planung und Koch
- Fritz Baier – Leinen/Flaggen,
- Hans Eberhardt – Küche/Verpflegung,
- Bernhard Freisler – Zelte/Bänke
- Heinz Kleemann, ohne vorbereitende Tätigkeiten betraut
- Peter Rotter - Foto und Film
- Hartmut Dieterich ohne vorbereitende Tätigkeiten betraut
Soweit zur Planung, die durch einige nicht vorhergesehene Ereignisse etwas durcheinander kam.
Freitag 30.08.2013
Nach 250 km gab es einen kolossaler Reifenplatzer am Küchenhänger auf der Fahrt in Richtung Süden. Dieser hatte zur Folge, daß wir die Nacht nicht wie vorgesehen auf der Autobahn, sondern sehr wohl schlafend im Auto, aber auf dem Parkplatz eines Reifenhändlers an der Route de Montbeliard bei Andelnans verbrachten, der dann so gegen 9.00 Uhr endlich seine Garage öffnete.
Samstag 31.08.2013
Gegen abend erreichten wir einen Campingplatz bei Lézignan-Corbières, wo wir dann auch 2 Tage bleiben konnten. In Frankreichs größtem Wein Anbaugebiet, im Weinbaugebiet Languedoc, angekommen gab es dann einen erfrischenden spanischen Landwein und ein Nachtessen, selbstredend erst nach Einbruch der Nacht.
Sonntag 1.09.2013
Der Plan Carcassonne erst am Abend zu besuchen wurde vorgezogen auf eine morgendliche Kurzvisite der Altstadt „La Cite“. Nach dem Frühstück also erst Kultur und danach aufriggern an der dreifach Schleuse von Trèbes.
Im 19. Jahrhundert wurde die Cité von Carcassonne vom Architekten Eugène Viollet-le-Duc restauriert und 1997 wurde sie von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Der Besuch war kurz, hat sich aber auf alle Fälle gelohnt - wie die vielen Fotos in unserem Fotoalbum zeigen. Unterhalb der Schleusen von Trèbe setzten wir so gegen 11:00 Uhr die Boote ins Wasser des Canal du Midi. Somit hatten wir erstmal fast 10 km freie Fahrt bis zur nächsten Schleuse in Marseillette, was sich im Nachhinein als eine der längsten Etappen ohne Schleuse im „Königlichen Kanal im Languedoc“ entpuppen sollte. Die Sonne brannte auf uns nieder, konnte uns aber im Schatten der vielen Platanen, die entlang des Kanals noch stehen, kaum erreichen. Im Juni 2011 wurde beschlossen 42.000 Platanen am Canal du Midi, die von einem Pilz befallen sind in den nächsten 15 Jahren zu fällen. Damit der bei Hausboot-Touristen beliebte Kanal sein jahrhundertealtes Gesicht behält, sollen so schnell wie möglich neue Bäume gepflanzt werden.
Wir waren erstmal froh, daß noch genügend Schatten vorhanden war, denn schon an der ersten Schleuse mussten wir feststellen, daß bei 3 von 4 Reifen unserer Bootswagen die Luft fehlte. Allerdings konnte nur ein Bootswagen wieder soweit aufgepumpt werden, daß er uns auch zum Transport der Boote von Nutzen war. Damit war klar, für die nächsten 30 Schleusen bis zur Einmündung in den Étang de Thau war doppelter Fussmarsch vorgesehen.
Es gab noch viele Schleusen an diesem Tag, aber eine war natürlich besonders reizvoll. Seltsame Kreaturen, menschenähnliche Roboter und andere seltsame Tiere schmücken diesen Ort. Mit seiner Kettensäge aus Holz, das er entlang des Canal du Midi gefunden hat, geschnitzt oder aus alten Feuerlöscher Kaminrohren und ähnlichem zusammengeschweißt, hat der Künstler Objekte und Skulturen geschaffen, mit sehr viel Witz und Humor. Sie wippen und drehen sich mit viel Phantasie, Gestalten aus einer anderen Welt. Ein Krokodil am unteren Ende der Schleuse bewacht das Grundstück mit seinem Künstler Joël Barthes. Unser 2 tägiger Aufenthalt in Lézignan-Corbières ging dann leider ohne ein Bad im angrenzenden Schwimmbad zu Ende. Trotz einer nicht allzu langen Etappe von nur 29 km waren wir zu spät auf dem Campingplatz eingetroffen, es waren wohl doch zuviele Schleusen.
Montag 2.09.2013
Aber heute sollte ja ein Abschnitt fast ohne Schleusen folgen, ca. 50 km und nur 2 Schleusen und ein Tunnel. Die beiden Schleusen waren schnell passiert und im Schatten der Platanen bei leichtem Wind, war auch das rudern angenehm. Vorbei ging es an so malerischen Plätzen, wie Le Somail oder das "Château Ventenac" .So viele Hausboote wie befürchtet waren auch nicht unterwegs und so war nach knapp 25 km ein schattiges Plätzchen neben der Pont de Sériège erreicht.Am Nachmittag folgte für die Ruderer noch eine Tunneldurchfahrt, während der Landdienst durch die engen Gassen mit vollem Gepäck also Küchenanhänger und Bootswagen kurvte, zuerst in Capestang zum Einkaufen und später auch im Zielort Colombiers. Abends gab es dann auf dem nahe gelegenen Campingplatz, ein Zufallstreffer keine 500m entfernt von der Anlegestelle, der so nicht in der Planung stand, mal was typisches aus der französischen Küche, "Hackfleisch-Ratatouille-Pfanne" und das noch fast bei Tageslicht.
Dienstag 3.09.2013
Heute war der kulturelle Höhepunkt die Besichtung der Schleusentreppe von Fonserannes bei Beziers. Das Bauwerk entstand im 17. Jahrhundert und ging gemeinsam mit dem von Pierre-Paul Riquet geplanten und gebauten Canal du Midi in Betrieb. Da die Brücke die danach folgt, erst später gebaut wurde gibt es immer wieder Diskussionen wieviele Treppen es eigentlich sind. Dazu empfehle ich einfach den Artikel im Wiki nachzulesen. Da wir mit dem Umtragen, - fahren der Schleusentreppe sehr beschäftigt waren, hat wohl kaum einer der Ruderer mitbekommen, daß sich daneben ein Schiffshebewerk befindet, daß allerdings wegen zuvieler technischer Probleme nie in Betrieb ging. Weiter ging es über die Pont-canal de l'Orb in Richtung Beziers. Eigentlich schade, daß man im Ruderboot so tief sitzt und kaum etwas davon merkt, daß man über ein Brücke rudert. Danach wurde es noch ein langer Tag, mit 5 weiteren Schleusen bis Agde. Dort wurden dann die Boote verladen, da wir eine Fortsetzung über den Étang de Thau wegen eventuell aufkommender Winde nicht riskieren wollten. Zurück ging es stattdessen auf den Campingplatz vom Vortag in Colombiers zum "Mitternachtssnack".
Mittwoch 4.09.2013
Am nächsten morgen fuhren wir zur nächsten Etappe nach Sète. Von dort ging es über den Canal de Rhone et Sète nach Palavas-les-Flots - ein Süsswasserkanl auf Meereshöhe. Die Sonne brannte ununterbrochen, es ging kaum ein Wind und Schatten war weit und breit nicht in Sicht. Das einzig gute an dieser Etappe war, es gab keine Schleuse! Vorbei ging es an der Insel von Maguelone mit der Cathédrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul, die wir leider nicht auf unserem Kultuprogram stehen hatten. Stattdessen nahm ein unerwartetes Ereignis unsere ganze Konzentration in Anspruch. Direkt am Übergang zur Cathedrale mussten wir uns flach ins Boot legen, um unter der Schwenkbrücke, die für Boote gerade nicht offen war, durchgleiten zu können. Wir bemerkten gar nicht an welch historischem Gebäudekomplex wir hier gerade vorbeifuhren. Danach ruderten wir noch ein kurzes Stück weiter bis zum Ruderverein bei Palavas les Flots. Dort brachen wir wegen völliger Erschöpfung einiger Ruderkameraden die Etappe nach der Mittagspause ab. Stattdessen gönnten wir uns, nachdem wir auf dem Camping de St. Maurice die Zelte aufgebaut hatten, ein erfrischendes Bad im Meer. In den Lagunen neben dem Kanal sahen wir auch die für diesen Teil der Camargue charakteristischen Flamingos. Ganz unspektakulär standen sie zum Beispiel in seichtem Wasser direkt vor einem Einkaufszentrum. Am nächsten Tag sahen wir auch noch die versprochenen Stiere und weissen Camargue-Pferde, daß diese zum Teil noch Zaumzeug um hatten störte uns dabei wenig, das war es doch warum wir hier hergekommen waren - Flamingos und "Wildpferde" in freier Wildbahn.
Donnerstag 4.09.2013
Wieder schien die Sonne erbarmungslos auf uns herab, als wir den 2.Teil des Canal du Rhone et Sète in Angriff nahmen. Es lag eine lange Etappe vor uns mit der geplanten Mittagsrast in Aigues Mortes und dem Ziel an der einzigen Schleuse des Tages in der nähe von Saint Gilles. Von dort sollte es am nächsten Tag weitergehen in die sogenantte Petit Rhone. Nachdem der Landdienst einige Mühen hatte einen geeigneten Platz für den Mittag zu finden, waren die Ruderer zum Glück nicht allzu schnell unterwegs, so daß doch noch ein annehmbarer Platz gefunden wurde. Die Mittagsrast in Aigues Mortes schien zunächst gemütlich zu werden, denn die Anlegestelle in einem Becken eines Gewässerabzweiges, das Stadtbild und unser Rastplatz mitten in der Stadt waren ansprechend. Dies änderte sich schlagartig, als festgestellt wurde, daß eines unserer etwas abseitig stehenden Fahrzeuge aufgebrochen wurde und von mehreren Teilnehmern Geld, Ausweise, Handys, Filmkamera oder Schlüssel gestohlen waren. Bereits eine halben Stunde nach dem Diebstahl war ein Handy bereits verkauft und eine Französin meldete sich und machte sich über uns lustig. Für die bestohlenen Ruderer und einen Dolmetscher wartete dann ein Nachmittag auf der Gendarmerie, die mehrere Listen der gestohlenen Gegenstände erfasste - 5 Mann verbrachten 3 Stunden bei der Polizei. Genutzt hat die Anzeige nichts, aber die Form für eventuelle Ansprüche an Versicherungen war erfüllt. Die restlichen 8 Ruderer ruderten derweil die Boote bis nach St. Gilles.Der Landdienst war noch vor den Ruderern an der Schleuse bei St.Gilles, um festzustellen, daß es keine Schleusung geben würde und auch hier wie üblich umgesetzt werden musste. Wir durften die Boote aber auf dem Schleusengelände über Nacht lagern und hatten danach nur ein kurzes Stück bis zur Übernachtung auf dem Campingplatz St. Gilles.
Freitag 5.09.2013
Bereits morgens diskutierten wir die Länge der Tagesetappe vor dem Hintergrund der langen Rückfahrt. Wir ruderten dann die Petit Rhône von St. Gilles abwärts und beendeten die Wanderfahrt letztendlich an der Kanustation Sylvéréal, ca. 13 km oberhalb der Rhônemündung. Gründe dafür waren kräftiger Landwind, das Wissen um unsichere oder fehlende Anlegestellen bis Saintes-Maries-de-la-Mer und die für die Heimreise erforderliche Zeit. Das Ausheben und anschließende Verladen der Boote an der Kanustation Sylvéréal gestaltete sich etwas kompliziert, weil uns der Kanuverleiher unsere Absicht erst nach längerem Bitten und als persönliche Großzügigkeit gewährte, verbunden mit dem Hinweis, dass wir Eindringlinge in sein Privatgelände seien und es unser, aber nicht sein Problem wäre, wenn es keine geeigneten Anlegestellen gäbe. Still und routiniert haben wir die Boote verladen und uns noch einen kleinen Umweg nach Saintes-Maries-de-la-Mer gegönnt, um ein letztes Bad im Mittelmeer vor der langen Heimreise zu nehmen. Danach erfolgte die erste Etappe der Rückfahrt, bis Tain l'Hermitage kurz nach Valance an der Rhone. Die gute Stimmung und das gute Miteinander besonders bei dem vielen Umtragen der Boote wurden durch diese Zwischenfälle nur temporär getrübt. Insgesamt bleibt eine Wanderfahrt in Erinnerung, die in einer abwechslungsreichen und schönen Region in Südfrankreich stattfand, dass nicht alle Eventualitäten in der Planung berücksichtigt werden können und dass ein jeder noch konsequenter auf seine persönlichen Dinge achtgeben sollte. Die bei der VNF gekauften Vignetten für die Boote zur Gewässerbenutzung wollte niemand sehen. Lediglich der französische Zoll hat sich auf der Autobahn für unsere Boote interessiert, einfach nur so.