Auf Fulda und Weser Richtung Nordsee
Die 39. Trimmfahrt war für die 14 Teilnehmer begleitet von ungewohnten Bequemlichkeiten. Während es nämlich bisher die Regel war, Ruderreviere im Ausland mit zum Teil sehr langen Anfahrtswegen anzusteuern, wurde in 2014 mit Fulda und Weser ein inländisches Ziel ausgesucht. Im Nachgang zu den unliebsamen Erfahrungen auf der AH-Wanderfahrt in Hamburg mit den etwas in die Jahre gekommenen Fahrzeugen eines in Esslingen ansässigen KfZ-Vermieters - damaliger Kommentar von Hanse: „Die Karre fährt auf der letzten Rille-, standen uns bei der Trimmfahrt wirklich sehr frisch aussehende Sprinter eines Anbieters aus dem Remstal zur Verfügung.
Samstag 30.8.: 1. Etappe: Kassel bis Hannoversch Münden 26 km
Start war in Kassel und zwar nahe der Schleuse Kassel beim Kanuverein in der Hafenstraße. Dort hinzugelangen erwies sich als ein zeitraubendes Unternehmen. Aufgrund einer Sperrung der Innenstadt wurde der Verkehr umgeleitet. Es herrschte Chaos allenthalben, begleitet von einem Hupkonzert, wie man es sonst nur von asiatischen Großstädten her kennt. Nach dem Aufriggern der Boote „Engel“, „Helene“ und Staffelsteiger und einem kleinen Imbiss wurde um 12 Uhr im Unterwasser der Schleuse abgelegt. Und gleich da passierte ein kleines Malheur. Unser Kameramann Peter war noch ganz ins Verpacken seiner Ausrüstung vertieft, als die Kameraden, die es einfach nicht mehr erwarten konnten, die ersten zwei Schläge machten. Pech war eben nur, dass sich auf dem Steg ein fetter Haken befand. In diesem verfing sich Peters Steuerbordskull und die Gesetze der Physik schlugen erbarmungslos zu: kurze aber knackige Hebelwirkung und das Skull knickte ab wie ein Streichholz. Mangels Ersatzskull – der Landdienst war schon über alle Berge - wurde kurzerhand ein herumliegender Ast zurechtgeschnitzt. Mit diesem gelang es, die beiden Skullteile fest miteinander zu verstreben. Das etwas unorthodox daherkommende Skull wurde, aus welchen Gründen auch immer, kurzerhand unserem Oldie (but Goldie) Fritz in die Hand gedrückt. Aus dessen Mund erscholl dann in der Folge alle 3 Kilometer der laute Ruf „Ruder halt“, damit er die Möglichkeit hatte, aus dem notdürftig reparierten Skull das „eingesammelte“ Wasser der Fülle auszuleeren.
Überhaupt schien Fritz auf dieser ersten Etappe auf Platz 1 im „Engel“ - salopp formuliert - die Arschkarte gezogen zu haben. Bei der ersten Schleuse in Wahnhausen wusste keiner so genau, wie die Bedienung der Sportbootschleuse funktioniert und ob im Ernstfall womöglich umgetragen werden müsste. Also stieg Fritz aus, um das Ganze aus der Nähe zu erkunden. Leider war die Ausstiegsstelle so was von von Enten vollgekackt, dass einem vom puren Anblick schon fast schlecht wurde. Fritz bruddelte zwar ein bisschen herum, aber er ging da durch, als wäre der Krieg gerade erst zu Ende gegangen und andere schlechte Zeiten zögen am Horizont bereits wieder hoch. Nach kurzer Wartezeit durften wir aber dann doch in die Schleuse einfahren. Die Technik der Schleuse war insofern einigermaßen interessant, als sich in der Schleuse ein Schwimmsteg befand, an dem die Boote festgemacht werden konnten.
Der Flusslauf der Fulda ist hinter Kassel gekennzeichnet von zahlreichen Flussschleifen durch das Bergland des Reinhartswalds und des Kaufunger Walds. Entsprechend verkehrsarm und idyllisch ist das Tal bis Hannoversch Münden. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass der Netzempfang nicht immer garantiert ist.
Nach einer weiteren Schleuse bei Wilhelmshausen wurde nach 26 km das Etappenziel Hann. Münden erreicht. Dort wurde Quartier beim dortigen Ruderverein bezogen. Rasch waren die Biergarnituren auf der Wiese aufgebaut, die Fressalien und Kochutensilien ausgepackt. Als das erste Partyfässchen angezapft war und der erste Durst gelöscht, machte sich ein Teil der Mannschaft ans Schneiden von Zwiebeln, Knoblauch und anderen Zutaten für die Bologneser Sauce. Pastaschutta ist schon seit jeher fester Bestandteil der Speisekarte von Trimmfahrten…
Obwohl Regen angekündigt war, klarte der Himmel auf und es wurde empfindlich kalt. Eine kleine Fraktion machte sich am Abend noch auf den Weg, um Hann. Münden mit seinen vielen Fachwerkhäusern anzuschauen und um bei einem – angeblich recht teuren- Bierchen auf dem Rathausplatz das Haus des Doktor Eisenbarts zu bestaunen, der in dieser Stadt mit allerlei absonderlichen Methoden und Spektakel seine Patienten kuriert hat.
2. Etappe: Hann. Münden bis Höxter; 67,9 km
Wie heißt doch der schöne Spruch? „Wo Fulda sich und Werra küssen, sie ihren Namen büßen müssen“. In Hann. Münden vereinigen sich die beiden Flüsse zur Weser, die von hier ab mehr als 100 km durch das Weserbergland ihren Lauf nimmt bis hin zur Porta Westfalica. Eine Landschaft, die geprägt ist von vielen Höhenzügen, schmucken Fachwerkdörfern und prachtvollen Gebäuden der sogenannten Weserrenaissance. Auch ist die Gegend als Ursprung vieler Sagen und Märchen bekannt.
Nach einer letzten Schleuse auf der Fulda, ging es an diesem schönen Sonntagmorgen vorbei an der Insel Tanzwerder mit dem berühmten Weserstein, auf welchem der oben zitierte Spruch eingemeiselt ist, hinaus auf die Weser in Richtung Nordsee. Beschreibungen zu Wanderfahrten auf der Weser sind in hinreichender Zahl verfügbar und abrufbar. An diesem Vormittag sitze ich nicht im Boot, sondern bin mit Heinz zum Landdienst eingeteilt. Ziel der Mittagspause ist Bad Karlshafen. Die Gegend, durch die wir kurven, lag früher einmal inmitten der alten Bundesrepublik. Irgendjemand hat dort – so scheint es zumindest – irgendwann mal vor ein paar Jahren die Uhr angehalten. Ein gutes Beispiel scheint diesbezüglich Bad Karlshafen zu sein. Wahrscheinlich war der Zeitpunkt, durch Bad Karlshafen an einem Sonntagvormittag zu flanieren, nicht gerade günstig gewählt. Keineswegs trostlos, doch es ist offensichtlich, dass die Stadt, nachdem die große Zeit der Kuren aufgrund von Einsparmaßnahmen bei den Kassen vorbei ist, ihre Blütezeit hinter sich hat. Da ändern auch aktuelle Bestrebungen wenig, mit viel Aufwand den alten Hafen im Stadtzentrum zu neuem Leben zu erwecken. Heinz und ich sehen uns eine respektable Ausstellung im Rathaus mit dem Diorama einer alten Stadtansicht an. Dies ermöglicht uns, einen guten Vergleich und Eindruck zu bekommen, wie viel von einstiger Herrlichkeit verloren gegangen ist.
Eine Kneipe für einen gepflegten Frühschoppen finden wir indes nicht; da müssen wir wieder auf die andere Flussseite zurück zum Campingplatz. Dort warten wir lange auf unsere Ruderkameraden, verhaften auf der Terrasse so ganz nebenbei ein oder zwei Halbe, schauen dem Manöver eines in der Strömung an- und wieder ablegenden Ausflugsschiffs zu - und erfahren im Gespräch viel über den Anderen. Das kann oftmals auch das Schöne am Landdienst ausmachen, dass man hin und wieder Gelegenheit findet, sich persönlich näher zu kommen. So viel Relaxen ist auf Trimmfahrten allerdings eher die Ausnahme. Kurze Zeit später geht nämlich der Stress los: Punkt Halberzweie legen unsere Kameraden endlich am Steg an – nach 45 Kilometern getaner Ruderarbeit in den Knochen. Wie immer steht alles bereit: massenhaft Brot, Wurst, Käse, etwas Gemüse, Essiggurken und v.a. viel Senf und Bier. Stybi würgt das alles im Akkord runter, da er mit einem der Sprinter zurück nach Kassel muss, um Späteinsteiger Albrecht vom Bahnhof abzuholen.
Die Weser hat in diesem Abschnitt, im Gegensatz zur Unterweser, durchaus Strömung, was ja eigentlich ganz lustig wäre. Doch leider verleiden uns auf der nachmittäglichen Strecke von Karlshafen bis Höxter die vom Wetterdienst prognostizierten Regenschauer den Genuss. Außerdem sitze ich mit Mathias im Boot und der meint, gleich bei den ersten paar Schlägen den Lehrmeister raushängen zu müssen (Hände weg! Beine! etc.). Gefühlte 500 Schläge nach Ablegen in Karlshafen lässt er es selbst aber auch total schleifen. Mathias ist ein Phänomen: Immer wieder trifft uns ein Regenschauer begleitet von kalten Böen; er sitzt in seinem völlig durchnässten T-Shirt auf Schlag und alles ist ihm egal. Alle anderen sind im steten Wechsel ihrer Oberbekleidung begriffen, einzig vom Willen beseelt, irgendwie trocken zu bleiben. Erst kurz vor Höxter strahlt die Sonne wieder auf uns herab.
Nach Anlegen und Einquartierung im Bootshaus des Rudervereins Höxter muss angesichts der fortgeschrittenen Zeit bezüglich der Essenszubereitung alles ganz schnell gehen. In Windeseile wird Gulasch gekocht, Albrecht ist hier Experte. Die Aufgabe des Restvolks besteht hauptsächlich darin, während der immer noch auftretenden Schauer, die Regenschirme über die Kochtöpfe zu halten und Albrecht ein paar Tipps zu geben, wie man vielleicht noch etwas nachhaltiger würzen könnte.
Später am Abend treten dann zur allgemeinen Belustigung die Skatprofis des RVE gegeneinander an. Noch später schlägt die Stimmung bei Akteuren und Zuschauern jedoch in Ermüdung um. Die lange Etappe von 68 km zeigt dann halt doch ihre Wirkung.
3. Etappe: Höxter bis Hameln; 64,7 km
Größte und schweißtreibendste Aktion des Tages war es, unseren Küchenanhänger nach dem Frühstück wieder vom hinter der Bootshalle gelegenen Grün, durch dieselbige hindurch und zur Anhängerkupplung eines unserer Sprinter zu bewegen. Es erstaunt immer wieder, wie schwer doch so ein läppischer Hänger wiegt. Die Wettervorhersage für den Tag war durchwachsen oder vornehm gesprochen: Stratocumulus, d.h. kaum Sonne, trüb, ab und an Regen.
Albrecht darf in unserem Vierer gleich bei seiner ersten Ausfahrt auf Schlag sitzen. Zwar habe ich anfangs immer etwas Mühe, mich an seinen Rhythmus zu gewöhnen, doch ist es stets sehr unterhaltend, hinter ihm zu sitzen. Irgendwie reiht sich ein Witz an den anderen und eine Story an die nächste.
Wieder erscheint es mir, dass dieser Landstrich, das märchenhafte Weserbergland, im Wettlauf mit der sich rasant entwickelnden Globalisierung irgendwann abgehängt wurde –Charme hin oder her. Immer wieder tauchen in diesen ersten Tagen unserer Wanderfahrt mehr oder weniger verrostete Eisenbahnbrücken auf, unter denen wir hindurchfahren. Zum Teil sind diese sowie die sich anschließenden Gleisanlagen total überwuchert von Grün…
Üblich sind auf Trimmfahrten einstündige Ruderpausen, kurz mach der Ersten ging es vorbei an Holzminden mit seiner eintönigen Hafenanlage – sieht aus wie in Plochingen, nur deutlich mickriger - und weiter über Polle. Dort verkehrt eine Gierseilfähre, die eigentlich eine Rollfähre ist und dafür als Beispiel im Wikipedia dient.
Der Landdienst war währendessen unterwegs in Sachen Kultur. wieder einmal gab es ein Weltkulturerbe zu besichtigen - Schloss-Corvey- bei Höxter. Sehenswert sind das karolingische Westwerk, die barocke Schlossanlage, der Kreuzgang und die Äbtegalerie, sowie der prächtige Kaisersaal und die facettenreichen Prunk- und Wohnräume aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Schade für die Ruderer, war leider nicht als kulturelles Highlight vorgesehen in der Planung.
Station unserer Mittagspause war Dölme. Das Anlegen war nicht ganz ohne, da ausgerechnet hier einige größere Steine im Uferbereich eingelagert waren. Auch hatte es zu Nieseln begonnen, so dass wir alle leicht genervt waren. Jedenfalls waren wir aber doch einigermaßen froh, in einer nahen Gastwirtschaft einen Platz zum Vesper – zwar im Freien, da die Wirtschaft geschlossen hatte - aber doch unter Dach zu finden. Der Weserradweg führte direkt vorbei. Es blieb uns daher auch nicht erspart, mit unserem Vorrat an Bierdosen den einen oder anderen Radler zufrieden zu stellen.
Auf unserer Weiterfahrt kamen wir u.a. an Bodenwerder vorbei. Die Stadt ist bekannt durch die Erzählungen des Lügenbarons Münchhausen. Ob seine Gewehrkugeln tatsächlich so weit geflogen sind, wie er behauptet hat, mag dahingestellt sein; wir jedenfalls flogen nur so dahin auf der Weser bis Hameln.
Der „Ruderverein Weser von 1885“ befindet sich steuerbordseitig noch ein gutes Stück vor Hameln, d.h. so ziemlich in der Pampa. Es handelt sich um einen, wie es scheint, in mehreren Ausbaustufen erweiterten Gebäudekomplex und das heißt, dass es anfangs schwierig ist, sich zu orientieren und schnell die Dusche und ein freies WC zu finden. Irgendwann –während alle anderen vor der vermeintlich einzigen Toilette anstehen und sich bereits krampfhaft in den Schritt fassen, kommt man aber dahinter und stellt fest, dass über ein paar Steigen und Stiegen ein Nebengebäude mit Vereinssaal erreichbar ist, welches mit einem WC de luxe ausgestattet ist.
Apropos „de luxe“ und um zurückzukommen auf die Menüs bei Trimmfahrten: Einer unserer Spitzenköche ist Wolfram. Er bereitet für den heutigen Abend einen Braten zu. Wieder sind etliche Statisten am Werk, die – unter einer nach mehrfachen Anstrengungen endlich festgezurrten Leine fürs Licht - die Beilagen vorbereiten, d.h. Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln etc. schnippeln. Es schmeckte wunderbar, der Abend war klasse und die Nacht hätte genauso angenehm sein können, wenn – ja wenn in der Bootshalle keine Bewegungsmelder installiert gewesen wären. Bei jeder noch so kleinen Bewegung im Schlafsack ging also das Licht an – ätzend hoch zehn kann ich nur sagen…
4. Etappe: Hameln bis Minden; 69,7 km
Bei Hameln fällt jedem natürlich sofort die alte Sage vom Rattenfänger ein, der im Spätmittelalter die Stadt von einer Rattenplage erlöst haben soll und, nachdem er um seinen versprochenen Lohn gebracht wurde, die Kinder der Stadt entführt hat. Nach einer quasi schlaflosen Nacht (s.o.) sind mir solche Sagen am Morgen so ziemlich wurscht. Nun heißt es, Magnesium tanken und dann ab in den Dreier, zusammen mit Albrecht und Stybi. Bei immer noch widrigen Witterungsverhältnissen kommen wir nach etwa 2 km zur Schleuse Hameln. Die Schleusenkammer ist schon etwas für größere Brummer und wir kommen uns darin etwas verloren vor. Doch wie es scheint, ist der Schleusenwärter froh, überhaupt einmal Kundschaft bekommen zu haben. Ein 3-fach Hipphipphurra ist ihm, auch ob des schnellen Schleusens, natürlich sicher.
Wenn man mich vor 1 Jahr gefragt hätte, wo zum Kuckuck denn Hessisch-Oldendorf liegt, hätte ich keine Ahnung gehabt. Heute weiß ich es. Es liegt genau zwischen Hameln und Rinteln. Das heißt, dieses Kaff liegt genau da, wo ich zum ersten Mal bei einer Männer-Wanderfahrt als Schlagmann aktiv werden durfte. Ich sag mal so: die Kritik meiner beiden Ruderkameraden hielt sich bei Ankunft in Rinteln in Grenzen, richtig euphorisch reagierten die beiden aber auch nicht…Jedenfalls stieg ich zufrieden und physisch wie auch psychisch saturiert aus dem Boot. Außerdem hatte ich genug. Daher freute ich mich auf Landdient mit Hanse, das funktioniert normalerweise immer. Während die Kameraden also den Weg aus dem Bergland durch die Porta Westfalica ansteuerten, fuhren Hanse und ich auf – dank Navi direttissima – zum Teil fast abenteuerlichen Schleichwegen nach Minden.
Mit Durchfahren der Porta Westfalica änderte sich gleichsam Landschaft wie auch Wetter. Ab diesem Zeitpunkt herrschte eitel Sonnenschein. Der Ruderverein Minden liegt in direkter Nachbarschaft zum historischen Pumpwerk und zum Wasserkreuz von Weser und Mittellandkanal. Zwei Brückenbauwerke, die die Überfahrt von Frachtschiffen über die Weser möglich machen, bezeugen eindrucksvoll deutsche Ingenieurskunst. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschten romanisch geschwungene Bögen aus damals neumodischem Beton vor – so was kennt man ja von Bunkeranlagen, die kurz nach Erstellung der ersten Brückenanlage im ersten Weltkrieg an den Fronten entstanden. Bei der moderneren Brücke –übrigens wesentlich breiter –wurde fast ausnahmslos Stahl verbaut, um die zahlreich verkehrenden Frachtschiffe 500 Meter weit über die Weser zu führen. (Weitere technische Daten zur Geschichte und zum Zweck dieses eindrucksvollen Bauwerks sind in Wikipedia abrufbar).
Bei strahlender Abendsonne schlenderten wir über dieses Bauwerk. Hierbei wird man erst recht gewahr, welch enorme Kräfte auf die Pfeiler der Brücken einwirken und welch enorme Anstrengungen es von Seiten der Statik bedarf, dessen Belastbarkeit über mindestens ein Jahrhundert zu garantieren.- Bevor wir wieder zurückspazierten entstand unser einziges Gruppenfoto mit ausreichend Kontrast.
Zwischenzeitlich köchelte der von Mathias aufgesetzte Fischeintopf ganz dolle vor sich hin, Für dessen Zubereitung ist Mathias prädestiniert: genial war der Eintopf an der Maas 2010, auch auf der Donau 2012. Da ich mit Hanse einkaufen durfte, weiß ich, dass in dem heutigen Eintopf ca. 3,5 kg kleingehackter Seelachs und Rotbarsch verarbeitet wurden. Die notwendige Zubereitung von Fisch und Gemüse hatten wir natürlich bereits vor unserem Spaziergang über die Schifffahrtsbrücke erledigt. Die „Bouillabaisse“ schmeckte hervorragend.
Die Küche im Mindener RV verfügte übrigens über einen prima Boiler. Wir haben Heißwasser aus demselbigen nicht nur dazu genutzt, unser eigenes Zeug zu spülen, sondern auch für manch herumliegende Hinterlassenschaften früherer Parties. Aber es ist ja auch klar, dass bei einem solch jugendorientierten Verein – hier besteht direkte Anbindung zu einem Gymnasium – nicht alles wie geschleckt aussieht. Im Gegenteil: nachdem wir einen kleinen Einblick in die Trainingsarbeit erfahren durften, mussten wir erkennen, dass die Jugendarbeit des Vereins wirklich imponierend ist!
Das Skatspiel kommt heute Abend nicht so recht in Schwung. Vielmehr werden mit fortschreitender Zeit Überlegungen angestellt, ob bei künftigen Trimmfahrten anstelle von Sprintern nicht noch zugstärkere Fahrzeuge eingesetzt werden könnten. Hintergrund ist, dass der Vermieter aus dem Remstal diesbezüglich auch komplett ausgestattete 40-Tonner anbietet…
5. Etappe: Minden bis Nienburg; 64,9 km
Schluss mit Rudern durch das märchenhafte Weserbergland, ab jetzt wird’s flach. Am frühen Morgen, als wir die Boote in diesem kleinen Kanal, der zum Pumpwerk führt, zu Wasser lassen, herrscht Nebel vor. Kaum dass wir aber den ersten Kilometer gerudert sind, herrscht Sonnenschein – und dies für den Rest des Tages und auch der ganzen Woche. Nachdem wir das „Ursprungstal“ der Weser verlassen haben und in den Kanal eingebogen sind, begleiten uns etliche Frachtschiffe, die aus dem Mittellandkanal hier in Richtung Nordsee in unsere Fahrrinne eingeschwenkt haben. Ca. 6 km bis zur nächsten Schleuse fahren wir beständig neben einem Frachter her. Dieser muss seinen Diesel so sehr quälen, dass wir ihm endlich - und fast schon aus Erbarmen den Vortritt lassen. Wir müssen ohnehin abbiegen, aus der Fahrrinne heraus, hin zur Sportschleuse Petershagen. Hier wartet eine Treidelgasse auf uns. Da dümpeln wir erst mal halbmütig dahin, bis unser Fahrtenleiter alles gecheckt hat. Dann geht´s aber relativ flott: Jedes Boot kommt separat dran. Beim Öffnen des Wehrs rauscht das Wasser ordentlich. Offensichtlich gibt es einige Profis unter uns, die so etwas schon des Öfteren gemacht haben und die die Boote, an langer Leine führend, im Hochtrabtempo wohlbehalten ins Unterwasser bringen.
Seit Minden ist die Strömung nur noch marginal. Dies bedeutet, dass Ruderarbeit gefragt ist und dass auch während einer viertelstündigen Pause kein Ruderkilometer ohne Einsatz „einfach so“ aufs Konto gutgeschrieben wird. Vor allem werden wir bei unseren stündlichen Pausen durch fortwährenden Gegen- und Seitenwind ausgebremst. Es ist für den Steuermann nachgeradezu ein Kunststück, sich in der um Schlüsselburg befindlichen Schleife, allen Winden zum Trotz, die Ideallinie zu finden; da kann man sich relativ rasch unbeliebt machen…
Die kleine Bootsgasse bei Hoppenberg hat es aber in sich. Plötzlich taucht in der ohnehin schon schmalen und etwas zugewachsenen Fahrrinne steuer- und backbordseitig ein Betonsockel nur wenige Zentimeter unterhalb des Wasserspiegels auf, und daher auch erst im letzten Augenblick erkennbar!
Die Boote müssen an dieser Stelle aus dem Wasser herausgenommen und mittels der Umsetzwägen in Richtung Unterwasser verfrachtet werden. Das klappt auch ganz gut, Von der Einsetzstelle sind es dann nur noch 2 Kilometer bis zur Mittagspause in Mühlenteich. Von hier ab gibt es bei mir einen Filmriss. Ich weiß nur noch, dass ich mich in einem Vierer mit Stybi als Bootschef befand. Es lief wie geschmiert und wir fuhren in Richtung Landesbergen, den anderen Vierer weit hinter uns lassend. Dann kam diese ominöse Treidelgasse. Aus welchen Gründen auch immer, erbot ich mich, zusammen mit Ralf unseren Vierer da runterzutreideln. Da ich das jetzt schreibe, habe ich mir die Strecke in google earth angesehen – diese scheiß Treidelgasse habe ich ausgemessen, sie ist tatsächlich fast 110 m lang. Normalerweise kein Problem, wenn man nicht den Absprung auf den Nebenpfad verpasst und im von Algen verschmierten Auslauf versucht, irgendwie „die Migge“ reinzuhauen. Keine Chance!- gebadet ohne Ende, Ellenbogen aufgeschürft, aber Ralf hatte alles im Griff. Das Boot hat es überstanden, weiter nichts passiert – außer dass Peter – seine Kamera immer parat -im Dreier im Unterwasser liegend, diesen filmreifen Stunt für die Nachwelt tatsächlich auf ewig festgehalten hat…(So was ist übrigens mindestens genauso schlimm, wie durch Entenkacke waten…) By the way: ich habe einen Kollegen, der sich mit der Vision des Skifahrens auf Algenteppichen beschäftigt, genannt „BioGlizz“. Seit der Aktion in der verfluchten Treidelgasse bin ich skeptisch – Algen sind flutschiger als Schnee und außerdem unberechenbar!
Da ich mit dem Fahrtenleiter in einem Boot sitze, werde ich von dessen Ehrgeiz nicht verschont. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, als Erster in Nienburg anzukommen. Als wir in Nienburg anlegen, ist gerade Hochbetrieb. Alles was in Nienburg zwei Löffel halten kann, will ausgerechnet jetzt, da wir anlegen wollen, aufs Wasser. Interessanterweise sind da auch 2 schöne Sechser dabei. Irgendwie schaffen wir es trotzdem, uns nicht allzu sehr in die Quere zu kommen.
Einmal mehr ist Wolfram verantwortlich fürs Menü verantwortlich. Es gibt Geschnetzeltes mit Reis und Gemüse, das Ganze sehr asiatisch angehaucht. So was Asiatisches scheint ungemein anregend zu sein. Jedenfalls sind wir erst gegen 2 Uhr so langsam in die Falle gekrochen.
>Donnerstag, 4.09.
6. Etappe: Nienburg bis Langwedel; 59,2 km
Wunderschöner Morgen. Gleich nach dem Frühstück und nach Rum-und-num-Schieben unseres Bootshängers geht es sofort aufs Wasser. Von der Stadt Nienburg und ihren Sehenswürdigkeiten haben wir leider, aufgrund anderweitiger Ablenkungen (s.o.) nicht allzu viel mitbekommen. Selbst kenne ich von Nienburg bisher nur den Bahnhof (IC-Stopp); schade eigentlich, da vom Wasser aus betrachtet Nienburg sehr ansprechend aussieht.
Zur Abwechslung sitze ich heute mal wieder mit Mathias auf Schlag im Vierer. Das ist stets sehr entspannend, da er zum einen mordmäßig was weg zieht und zum anderen alles Mögliche zu erzählen weiß. Mindestens 3 Kilometer rudert er mit aufgestellten Blättern, weil das angeblich ergotechnisch oder sonstwie technisch wahnsinnig was bringt. Nach einigen Flusskehren geht es auf einmal backbord weiter in den Schifffahrtskanal, 2 km total geradeaus und total langweilig bis zur nächsten Schleuse. Noch langweiliger wird es uns allerdings während der Wartezeit von über 1 Stunde, bis wir endlich in die Schleuse Sebbenhausen, im Gespann von 2 Frachtern und einem Ausflugsboot, einfahren dürfen.
Die nächsten Kilometer ab der Schleuse mäandriert die Weser dahin bis zum Ort unserer Mittagsrast, dem beschaulichen Örtchen Hoya. Dort war vom Landdienst bereits alles aufs Beste vorbereitet. Manche gönnten sich nach dem Essen dann sogar noch ein kleines Schläfchen…
Die Weiterfahrt verlief, bis zur Schleuse Dörveden, einigermaßen unspektakulär. Bis dahin alles gut, d.h. einige kleinere Kräftespielchen zwischen den Booten, wie dies halt auf Trimmfahrten so üblich ist. Aber dann wurden wir ausgebremst. Vor der Schleuse lag ein Schwimmbagger, der da recht aktiv hin und her pendelte und Aushub auf einen Lastkahn verteilte. Vom Schleusenpersonal wurde angedeutet, dass es mindestens noch ca. 1,5 Stunden dauern könnte, bis – wenn überhaupt – eine Schleusung für uns pobelige Ruderjockel erfolgen würde. Der Besatzung eines Vierers ging dieser Affront dann doch etwas zu weit. Sie entschloss sich dazu, das Boot umzutragen, Das war angesichts der Geländeverhältnisse kein leichtes Unterfangen; aber es hat geklappt. Überraschenderweise ging für die beiden anderen im Oberwasser liegenden Boote die Ampel nach wenigen Minuten auf Grün. Geduld schien sich in diesem Fall also auszuzahlen: Ein deutliches Plus an Bequemlichkeit, zumal das Schleusenpersonal sich als dann durchaus freundlich und häbig herausstellte – ähnlich wie seinerzeit auf der Moldau.
Fortan herrschte ein relativ strenger Wind aus Nordost. Dieser blies, da die Weser sich schlaufenförmig durch die Tiefebene zieht, mal direkt von vorne, mal von Steuerbord. Bei Verden mündete, kaum merkbar, die Aller. Von hier aus war es nur noch eine gute halbe Stunde bis zum Ziel vor dem Wehr in Langwedel.
Das Anlegen in Langwedel beim Yachtclub schien nicht einfach zu sein; mit Seitenwind war zu rechnen (s.o.). Und so benötigte das ein oder andere Boot, aufgrund von Zaghaftigkeit beim ersten Anlauf, eben eine Zweiten. Obwohl das Gelände offenbar von einer Kaninchenplage heimgesucht und daher gründlich umgegraben wurde, schafften wir es doch, unsere Boote ohne Außenbandabriss auf der durchlöcherten, halbgrünen Wiese abzulegen.
Langwedel liegt streckenmäßig knapp 40 km vor Bremen. Dies bedeutete für uns Trimmfahrer im Prinzip, dass unser Endziel plötzlich sehr deutlich Gestalt annahm. Umso mehr, als wir für diese Nacht unser Quartier bereits beim B.R.C. Hansa in Bremen gebucht hatten, dem Heimatverein von Heinz Kleemann. Nach Zusammensuchen sämtlicher Flaggen, Leinen, Enterhaken ging es also über die Autobahn auf nach Bremen. Dort angekommen, hatte es das Küchenpersonal ausnahmsweise mal gut. Denn für den Abend waren wir von Heinz eingeladen, in der vereinseigenen Gaststätte Knipp mit Bratkartoffeln und roter Beete zu essen, eine Bremer Spezialität, angeblich ähnlich wie Labskaus, doch laut Heinz deutlich besser schmeckend. Und das stimmt aus Sicht eines Süddeutschen auch definitiv – ohne den Hamburgern zu nahe treten zu wollen (siehe AH-Fahrt).
Freitag, 5.09.
7. Etappe: Langwedel bis Bremen; 39,5 km
Es gibt Leute im Ruderverein, die sind nicht ganz gescheit. Die träumen zum Beispiel davon, mindestens ein Mal um den Äquator zu rudern, das sind 40.075 km. Die heutige Etappe geht von Langwedel bis Bremen, das ist so knapp ein Tausendstel hiervon, also 40 km – weit genug. Es gibt sogar Leute, die sind nicht nur nicht ganz gescheit, sondern womöglich verrückt. Mathias hat sich erboten den Landdienst komplett zu übernehmen. Er fuhr also abwechselnd sowohl mit dem Sprinter als auch mit seinem Fahrrad zwischen Bremen und Langwedel hin und her.
Als wir zurück in Langwedel waren, mussten die Boote per Umsetzwagen ins Unterwasser gebracht werden. Allerdings blockierte anfänglich die Bremse des Wagens beim Einfahren ins Wasser, so dass mehrere Anläufe erforderlich wurden, bis die Aktion über die Bühne war.
Bei Kilometer 333 wurde haltgemacht. Frank packte zur Feier der Schnapszahl einen bis dahin tief im Seesack vergrabenen Flachmann aus. Wie heißt es doch in der Feuerzangenbowle: „Aber jeder nor einen wänzigen Schlock!“ Nach einem scharfen Linksknick des Flusses bei Achim waren wir wieder auf der Schifffahrtsstraße. An dieser Stelle liegen auch die Badener Berge - bis dahin dachte ich eigentlich, dass die im Nordschwarzwald liegen. Es ist eine etwa 50 m hohe Endmoräne aus der Eiszeit, bebaut mit Häusern von Besserbetuchten, also quasi der „Killesberg von Bremen“.
Kurz vor Bremen sorgten am Freitagvormittag unzählige Sportbootfahrer für hohe Wellen. Um nicht unnötig viel Wasser ins Boot zu bekommen, mussten wir des öfteren abrupt stoppen und uns längs legen. Mehr oder weniger nassgespritzt erreichten wir die tidenabhängige kleine Schleuse am Weserwehr. Kurz vor dem Wochenende herrschte hier ein relativ hoher Andrang an Sportbooten, so dass wir einige Zeit warten mussten, bis wir einfahren durften.
Hinter der Schleuse, auf Höhe des Weserstadions, hatte es der Staffelsteiger auf den letzten Metern auf einmal brutal eilig. Aber so leicht wollten wir es ihnen nicht machen, den Sieg zu erringen. Mehrere beherzte Schläge brachten uns wieder auf gleiche Höhe. Und eigentlich wären wir mühelos vorbeigezogen, hätten sich da nicht mehrere Angelschnüre bei uns verfangen. Großes Geschrei am Ufer; wir hatten von mindestens 3 Anglern sämtliche Gerätschaften abgeräumt. Nach 360 km hatten wir unser Ziel dann erreicht. Wenn man glaubt, dass nun erst einmal gefeiert worden wäre, der irrt. Sofort wurden die Boote abgeriggert und aufgeladen, viele andere Siebensachen verstaut und nebenbei noch der Gemüseeintopf vorbereitet. Erst danach gab es das verdiente Bierchen.
Nachdem wir uns geduscht und schön gemacht hatten, führte uns Heinz in die Altstadt von Bremen. Vom berühmten Glockenspiel um 18 Uhr hörten wir leider nur noch den Schlussakkord. Anschließend ging es Richtung Marktplatz mit dem Bremer Wahrzeichen, dem Roland, dem Rathaus und der Baumwollbörse. An jeder Ecke stand eine Bronzeskultur, ob dies nun ein Schwein war oder eine Weltkugel. Am Dom vorbei ging es ins urige Schnoor, mit seinen kleinen, verwinkelten Gässchen. Hier wurde uns ein Eis spendiert.
Zurück bei der Hansa ließen wir uns den Eintopf schmecken und genossen den schönen Abend auf der grünen Wiese.Am nächsten Morgen stopfte Mathias in aller Herrgottsfrühe die Reste des Eintopfs in sich hinein und machte sich mit seinem vollbepackten Rad auf den Weg nach Osnabrück. Mit guten Eindrücken von dieser Trimmfahrt machten wir anderen uns ebenfalls auf Richtung Heimat. Mittagsrast machten wir in der angeblich besten Raststätte Deutschlands im hessischen Kirchheim. Dies war vermutlich im Test vor 30 Jahren, und seither wurde dort wohl auch nichts mehr investiert. Auch so kamen wir gegen 17 Uhr wieder wohlbehalten in Esslingen an.
Teilnehmer:
Ralf Stybalkowski, Heinz Kleemann, Fritz Baier, Hans-Peter Rotter, Hans-Reinhart Strehler, Wolfram Strehler, Bernhard Freisler, Ralf Stürner, Achim Lempart, Hans-Jürgen Eberhardt, Albrecht Hannig, Frank Maschkiwitz, Mathias Kötter, Frank Gähr.
Bericht: Frank Gähr