Wanderfahrt Zürichsee 2018
Dieses Jahr findet unsere Wanderfahrt durch die Vermittlung von Bernhard vom 27.4. - 1.5. am Zürichsee statt. Der Zürichsee liegt bananenförmig südöstlich von Zürich, ist rund 42 km lang und bis zu 3,85 km breit. An der tiefsten Stelle misst er 136 m. Entstanden ist er in seiner heutigen Form nach der letzten Eiszeit, als das Schmelzwasser der Gletscher an der Endmoräne gestaut wurde.
Bernhards Sohn Sören ist im Ruderclub Erlenbach (RCE) Cheftrainer. Wir können daher im Vereinshaus wohnen und dürfen die Boote vom RCE benutzen.
So starten wir ohne Hänger in Esslingen und kommen am Freitagabend mit unterschiedlichen Verzögerungen wegen Staus und Insiderwissen bezüglich Umgehungsstrecken (Fred) in Erlenbach an. Zum Rudern ist es zu spät, wir werden dafür von Olivier erwartet, der im RCE für den Breitensport zuständig ist. Er hat für uns Spargelsuppe gekocht und ein leckeres Vesper, einschließlich Erdbeeren mit Sahne zum Nachtisch, vorbereitet.
Wir bekommen eine Einführung zum Zürichsee und hören, dass die einheimischen Ruderer meistens morgens zwischen 6 – 8:00 Uhr oder abends rudern, besonders gerne im Winter, weil es dann ruhiger ist auf dem See. Ich finde es schon sportlich Sonntagsmorgens um 9:30 Uhr am Verein zu sein, da bin ich froh, dass unser Rudern nicht schon um 7:.00 Uhr beginnt. Da doch einige neue Gesichter in der Runde dabei sind folgt eine Vorstellungsrunde vor der Kulisse des Zürichsees mit leuchtenden Straßenlaternen, beleuchteten Fenstern in den Häusern und fast Vollmond. Unsere Feldbetten bauen wir im Bootshaus der Rennruderer (Herren) und im Kraftraum (Damen) auf.
Noch vor dem Frühstück bekommen wir am Samstag eine Einweisung in die Verkehrsregeln am Zürichsee und machen unsere erste Ausfahrt zur Halbinsel Au (ca. 16 km). In der Begleitung von Olivier, Wolfram nimmt dafür seinen Platz bei den Erlenbacher Masterruderern im Rennachter ein, rudern wir in vergleichbaren Booten wie bei uns im Verein (Häddele, Albatros, Reichstadt, Fritz Schiller). Das Wetter ist sehr gut, etwas gewöhnungsbedürftig ist im unbekannten Revier das Rudern ohne eigenen Steuermann. Wir haben Fußsteuer zur Verfügung, die aber nicht besonders gut zu bedienen sind und am Sonntag entscheidet sich Wolfram, das Steuer des einen Fünfers auszuhängen. Beeindruckend ist teilweise auch der Wellengang, die Motorboote sind selbstverständlich ohne Geschwindigkeitsbegrenzung unterwegs und nutzen das auch aus. Zusätzlich fahren die Linienverkehrsboote und bei leichtem Wind sind auch Segelboote unterwegs. Die Landschaft ist beeindruckend, besonders bei der Rückfahrt mit Blick auf die schneebedeckten Alpen.
Nach dem ersten Rudern und Frühstück geht es mit dem Zug nach Zürich, wo Olivier eine Stadtführung vorbereitet hat. Die Altstadt von Zürich ist beeindruckend. Alle Häuser wunderschön instand-gesetzt, keine unpassenden Neubauten, vorwiegend Fußgängerzone, schönes Pflaster, kleine gewundene Gassen, geschmackvoll dekorierte Geschäfte, idyllische Cafés und Restaurants, ausgesprochen sehenswert. Besonders schön ist das Grossmünster mit romanischer Krypta, Chorfenstern von Augusto Giacometti, sowie modernen Fenstern im Längsschiff von Sigmar Polke, die teilweise aus sehr dünn geschliffenen Achaten zusammengesetzt sind. Wir kommen am Rathaus, der Kirche St. Peter und dem Kloster Fraumünster mit den berühmten Fenstern von Chagall vorbei. Zuletzt erreichen wir den Paradeplatz und besichtigen noch das neu gestaltete Erdgeschoss der Crédit Suisse das früher die Schalterhalle der Bank war.
Dazu hören wir viel über die Geschichte Zürichs. Die Zeit des römischen Zürich beginnt im Jahr 15 v. Chr., als es Militärstützpunkt und Zollstation wurde. Davor gab es an der Stelle bereits keltische Siedlungen. Im 8. Jahrhundert ging der Zürich Gau in die Herrschaftsgewalt der Karolinger über. Ludwig der Deutsche, Enkel Karls des Großen, gründete an den Gräbern der Geschwister Felix und Regula ein Nonnenkonvent. Der Legende nach handelte es sich bei Felix und Regula um römische Christen, die aus der Thebäischen Legion flohen. Weil sich die Legion bei einem Feldzug weigerte gegen ihre Glaubensgenossen in die Schlacht zu ziehen, wurde fast die gesamte Legion niedergemetzelt. Ihre Flucht führte Felix und Regula in die Nähe der Burg Zürich, wo sie als erste Verbreiter des Christentums wirkten. Im Jahre 303 wurden sie angeblich vom römischen Stadthalter gefangen genommen und geköpft, weil sie ihren christlichen Glauben nicht ablegen wollten. Der Sage nach sollen die Geköpften ihr Haupt unter den Arm genommen haben um sich selbst eine Grabstätte zu suchen. Diese fanden sie 40 Schritte weiter weg an der Stelle des heutigen Großmünsters.
Im 12. Jahrhundert wächst Zürich dank guter Wirtschaftslage und wird 1218 zur freien Reichsstadt. Erst im 13. Jahrhundert erhält es seine bekannte Stadtmauer. In der Zunftrevolution von 1336 stürzt Rudolf Brun mit Unterstützung des absteigenden Adels und der Handwerker das herrschende Kaufmannspatriziat. Im 15. Jahrhundert setzt sich die Herrschaft der Zünfte durch. Dadurch vermindert sich der Handel immer mehr, die Seidenindustrie verschwindet, Leinen- und Wollindustrie gehen zurück. Zürich wird zu einer bescheidenen Handwerkerstadt. Mit der Reformation Ulrich Zwinglis bricht seit 1519 für Zürich eine neue Epoche. Es kommt zum konfessionellen Bürgerkrieg. Im 16. Jahrhundert ist Zürich eine Zunftstadt ohne Tendenz zur wirtschaftlichen Expansion. Erst Flüchtlinge, wie reformierte Locarner und Hugenotten beleben Industrie und Handel neu (Textilindustrie, vor allem Seide). Es kommt zu relativen Wohlstand. Im 18. Jahrhundert erlebt Zürich eine kulturelle Blütezeit. Im 19. Jahrhundert geht Zürich zur direkten Demokratie über. 1833 wird die Universität Zürich gegründet, seit 1855 ist Zürich Sitz des Polytechnikums. Der Dichter Gottfried Keller wirkt von 1861-76 als Stadtschreiber. Die Industrialisierung führt zur Landflucht und raschem Bevölkerungswachstum. Die heutige Großstadt geht aus der Vereinigung Zürichs mit insgesamt 19 Gemeinden hervor (1893-1934). Zürich hat heute ca. 400.000 Einwohner. Die heute überragende wirtschaftliche Bedeutung Zürichs ist vor allem auf den Dienstleistungssektor zurückzuführen (Bank und Versicherung, Kommunikation, Fernsehen, Tourismus).
Nach der Führung bei strahlendem Sonnenschein sind doch alle ziemlich erschöpft und freuen sich über die Bootsfahrt mit dem Linienschiff zurück nach Erlenbach, vorbei am Haus von Tina Turner am Seeufer von Küsnacht. Der sehr gelungene Tag geht mit einem gemütlichen Grillen zu Ende.
Am Sonntag werden wir von Ralf (wie immer) mit frischen Brötchen vom Bäcker versorgt, vielen Dank! Heute brauchen wir auch eine gute Stärkung. Zunächst rudern wir bei strahlendem Sonnenschein nach Rapperswil (ca. 22km), das am Übergang vom Untersee in den Obersee liegt. Rapperswil wird dominiert vom Schloss Rapperswil auf dem Schlosshügel, umgeben von der Altstadt mit kleinen Gässchen. Berühmt ist es für seine Rosenblüte von Mai bis Oktober. Es gibt 20000 Rosenstöcke in den Klostergärten und einen Blindenrosengarten. Die Blüte haben wir jetzt leider verpasst, dafür waren wir etwas zu früh unterwegs. Bevor wir am Ruderverein anlegen können muss der Damm zwischen Untersee und Obersee passiert werden. Hier gibt es markierte Durchgänge, die gerade so breit sind, dass ein Ruderboot mit ausgestellten Rudern und noch ca. 50 cm Zugabe hindurchpasst. Die Durchgänge sind danach einige Meter lang, was von den Bootsbesatzungen und insbesondere den Obmännern auf Platz 1 einiges an Fingerspitzengefühl abverlangt. Nachdem diese Enge passiert ist, legen wir am Ruderverein an und können dort auf der Terrasse sehr schön vespern.
Danach geht es weiter zu einer kleinen Runde auf dem Obersee (ca. 16 km). Landschaftlich fast noch schöner als der Untersee, weil die Bebauung geringer ist. Die Wiesen reichen oft bis an das Seeufer, zwischendrin steht hier und da ein gemütliches Häuschen, im Hintergrund die Berge, wie im Bilderbuch. Nachdem wir wieder in Rapperswil gelandet sind werden die Boote auf die Wiese hinter das Bootshaus getragen und die Skulls aufgeräumt und dann geht es mit Zug und eigenem Bus zurück nach Erlenbach. Dort bereitet uns Wolfram - mit zahlreichen Helfern - ein hervorragendes Putencurry mit Reis. Hier zeigt sich dann doch seine Erfahrung vieler Wanderfahrten. Das Essen wird für 16 Personen unter teils eingeschränkten Arbeitsbedingungen zubereitet und schmeckt ausgezeichnet, alle werden satt und übrig bleibt nichts!
Am Montag geht es mit eigenem Bus und Bahn erneut nach Rapperswil, wo unsere Boote ins Wasser gelassen werden und wir uns auf den Weg zur Bootswerft Stämpfli machen. Ralf steuert den steuerlosen 5-er so punktgenau durch den Damm, dass er mit einem 3-fachen „Hipp, Hipp, Hurra“ geehrt wird. Wirklich beeindruckend. Mit unserem Landdienst Heinz ist vereinbart, dass er uns im Ruderverein Horgen zum Vesper erwartet. Nachdem er keinen Verantwortlichen erreicht, öffnet er kurzerhand, mit Hilfe seiner Schwimmweste, die verschlossene Einfahrt und kann uns so vom Steg aus zuwinken. Ein Glück. Der liegt nämlich ganz nahe beim Fährhafen, und weil wir zu dem Zeitpunkt schon so auf die Fähren konzentriert sind, um nicht zu kollidieren, wären wir wohl ohne Heinz am Ruderverein vorbeigerudert. Trotzdem, wenn ich Heinz beschreiben müsste, würde ich sagen, er ist ein seriöser, älterer Herr, von dem ich einen „Einbruch“ nicht erwartet hätte. So kann man sich täuschen.
Nach einer Stärkung geht es danach weiter zu Stämpfli am Rand von Zürich (von Rapperswil sind wir dann 28 km gerudert), wo uns der Inhaber, Daniel Zlinszky einiges über seine Bootswerft erzählt. Seit 1896 engagiert sich Stämpfli für den Rudersport und ist inzwischen weltweit die einzige Werft, die noch Holzboote nach traditioneller Art herstellt und um den ganzen Globus verkauft. Allerdings baut auch Stämpfli nur noch Einer und Zweier und auch nur auf Bestellung, wobei besonderen Wert auf den Komfort gelegt wird. Dabei ist das Hauptproblem für Rennboote das Gewicht. Ein Holzeiner wiegt durchschnittlich 17 kg, ein Kunststoffeiner 14 kg. Man kann beim Holzboot einige Veränderungen vornehmen, z.B. dass die Innenkonstruktion noch feiner gearbeitet wird und die Außenhaut auf maximal 1,8 mm abgeschliffen wird, dadurch hat Stämpfli schon ein 14,5 kg Boot gebaut. Aber das ist dann natürlich auch extrem empfindlich. Sie haben den Bootsbauer Antonio, der seit 46 Jahren bei Stämpfli Holzboote baut und der in 2-3 Jahren in Rente geht. Und bislang hat sich noch kein Nachfolger gefunden.
Holz ist noch für ca. 10 Boote auf Lager, neues Holz wird derzeit nicht eingekauft. Stämpfli verwendet Holz der Westindischen Zedrele aus Südamerika, das dort in erste Linie für die Herstellung von Zigarren-Humidoren verwendet wird. Dadurch ist das Holz meistens so zugeschnitten, das es für den Bootsbau nicht mehr geeignet ist. Insofern ist zurzeit die Zukunft des Holzbootbaus ungewiss. Sehr Schade, die Boote sind wunderschön. Stämpfli beschäftigt 7 Mitarbeiter und 75% des Arbeitsvolumens sind Reparaturen aller Bootstypen, auch von anderen Werften. An dem Wochenende war Regatta in der Nähe, da kam ein Unwetter, die Regatta wurde abgebrochen und Stämpfli hat 14 Boote zur Reparatur reinbekommen, die in den nächsten 1-2 Wochen repariert werden sollen. In der Schweiz müssen alle Ruderer, die in einem Verein rudern, eine Versicherung abschließen, die Schäden übernimmt, wenn man ein Boot selbst beschädigt. Und diese Versicherungen sind die Hauptauftragsgeber von Stämpfli. Die Firma ist auch bei Olympia vor Ort und bietet Reparaturen an. Den Bau von Rennbooten aus Kunststoff überlassen sie den Marktführern Empacher und Filippi. Es besteht allerdings eine Kooperation mit einer kleinen Firma, mit denen Carbon Boote hergestellt werden.
Nach dieser interessanten Besichtigung ging es wieder zurück, 6 km quer über den See, nach Erlenbach. Das Wetter ist etwas unsicher und wir haben Glück, dass es nicht anfängt zu regnen. Und wieder versorgt uns Wolfram am Abend ganz vortrefflich mit Kassler, Gemüse und Kartoffeln.
Am Dienstag regnet es leicht, als wir aufstehen. Der Rudertreff der Schweizer ist ausgefallen, Olivier kommt aber trotzdem zum Verabschieden. Es gehen nur noch Stybi, Manfred, Ralf, Hanse und Bernhard aufs Wasser, der Rest packt zusammen und macht sich langsam auf den Heimweg. Diesmal zum Glück ohne Stau.
Teilnehmer: Fee, Felix, Gerrit, Judith, Ralf, Steffen und Steffi aus Tübingen, Annette, Bernhard, Fred Hanse, Heinz, Manfred, Stybi, Ulrike und Wolfram aus Esslingen.
Bericht: Ulrike
Fotos: Annette, Fee, Felix, Judith und Wolfram
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