Im Flow auf dem Fluss

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Eßlinger Zeitung, Autorin: Kerstin Dannath, Erscheinungsdatum: 16.09.21

Der Ruderverein Esslingen bietet Anfängerkurse für Erwachsene auf dem Neckar an. Dabei gibt es stets mehr Interessenten als Kapazitäten, die Warteliste ist lang. Viele sind begeistert von der Sportart, die Kraft, Ausdauer, Teamgeist und Dynamik erfordert. Rudern ist ein naturverbundener Wassersport. Er verbindet Kraft und Ausdauer, Teamgeist und Dynamik. Zu fast allen Jahreszeiten kann man Flüsse und Seen mit dem Boot erkunden. Auch den Neckar – eine Stippvisite beim Einsteigerkurs des Rudervereins Esslingen (RVE) auf der Neckarinsel.

Halb sechs an einem sonnigen Herbsttag am Bootshaus des RVE, sechs Teilnehmer haben sich zum Auftakt des Anfängerkurses eingefunden. Fünf Termine werden noch folgen, zwei Mal die Woche, Dauer etwa zwei Stunden. Es ist bereits der dritte Kurs der Esslinger in diesem Jahr – wie dieser Lehrgang waren auch die Vorgänger ruckzuck voll, es gibt immer noch eine lange Warteliste. „Ich musste einige Leute auf das nächste Jahr vertrösten“, bedauert Melanie Schröer vom RVE. Die C-Lizenz-Inhaberin kümmert sich um die Organisation und hält die Einsteigerkurse ab.

Dass sich so viele Interessenten aufgestaut haben, liege einerseits an der Pandemie, andererseits aber auch an der Tatsache, dass Schröer pro Abend mehrere zusätzliche Helfer aus dem Verein benötigt. Normalerweise werden neun Anfänger pro Kurs ausgebildet – auch wegen der Helfersituation wurde die Anzahl reduziert. „Wir gehen derzeit mit sogenannten gesteuerten Vierer-Booten, also insgesamt fünf Leuten – vier an den Skulls, einer steuert– aufs Wasser“, erklärt die 40-Jährige. Das heißt, dass in jedem Boot neben drei Anfängern auch zwei erfahrene Ruderer sitzen. Der Grund: Der Neckarkanal auf dem der RVE seine 4,5 Kilometer lange Ruderstrecke hat, wird auch von der Berufsschifffahrt genutzt und Schiffsbegegnungen können brenzlig werden: „Deswegen hat es sich bewährt, dass in jedem Boot auch zwei erfahrene Ruderer sitzen.“

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Die Einsteigerkurse des Esslinger Rudervereins sind ideal, um ein Gefühl für diese elegante Art der Fortbewegung auf dem Wasser zu erhalten   Foto: Kerstin Dannath

 Die Beweggründe der Teilnehmer sind ganz unterschiedlich. Einem der beiden jungen Männer war es beim Krafttraining im Fitnessstudio zu einsam: „Deswegen wollte ich mal was mit anderen zusammen machen und gleichzeitig ein bisschen trainieren.“ Ein ganz wichtiger Punkt, findet Trainerin Schröer: „Rudern ist Mannschaftssport.“

 Immer wieder fällt auch der Neckar als Stichwort. „Ich sehe auf dem Fluss oft Ruderer und wollte das auch mal ausprobieren“, sagt eine Teilnehmerin. Die Neulinge arbeiten zunächst am Ruder-Ergometer an ihrer Arm-Bein-Koordination. „Hintern und Hacken zusammen und dann drücken. Erst Beine, dann Arme anziehen und wieder umgekehrt. Denkt nicht zuviel dabei nach, dann klappt es besser“, gibt Schröer das Kommando. Danach geht es an die Boote und die etwa drei Meter langen Skulls. „Die heißen Skulls, das ist ganz wichtig, nicht Paddel und nicht Ruder – das ist beides was anderes“, sagt die Trainerin. Mit Hilfe eines kleinen Rollengestells werden die beiden etwa 13 Meter langen und rund 80 Kilo schweren Boote hoch zum vereinseigenen Steg kurz vor der Schleuse Oberesslingen transportiert. Nachdem die Boote in den Neckar gehievt wurden, wird das Ein- und Aussteigen geübt. Anfangs sind die Bewegungsabläufe holprig – die Kursteilnehmer haben sichtlich Respekt, in das wacklige Gefährt zu steigen.

 Schließlich sitzen alle im Boot und los geht es. Die synchronen Schlagbewegungen fallen den Ruderneulingen anfangs nicht leicht. Nach den ersten 50 Metern halten beide Boote an – die beiden Steuerleute stehen auf und machen ein paar Schaukelübungen. Das ist wichtig, um den Anfängern die Angst zu nehmen. Weiter geht es flussaufwärts bis auf Höhe des Motoryachtclubs Esslingen und wieder retour. Etwa 2,5 Kilometer absolvieren die Anfänger bei ihrer Ruderpremiere auf dem Neckar - Wasser geschluckt hat keiner, Spaß gemacht hat es allen. Die meisten der Neulinge spüren schon in den Armen und in den Beinen, dass sie was getan haben. „Das war schon anstrengend, hat aber trotzdem riesig Spaß gemacht“, sagt eine der Frauen.

 Zurück am Bootshaus steht putzen auf dem Plan. „Das ist wichtig, Algen und Schmutz müssen von den Booten entfernt werden“, erklärt die Helferin Doris Eberspächer. Die 66-Jährige bezeichnet sich als Späteinsteigerin – erst mit 46 Jahren hat die Esslingerin mit dem Rudern begonnen: „Das ist aber das Schöne daran, Rudern kann man bis ins hohe Alter und man bewegt dabei seinen ganzen Körper.“ Seien die synchronen Abläufe erst mal in Fleisch und Blut übergegangen, komme man beim Rudern in einen richtigen Flow: „Es entspannt total.“

 Zum Abschluss des ersten Kurstages ­werden die Ausbildungsbögen ausgefüllt. „Wir haben heute einiges gelernt“, lobt Schröer – über eine allgemeine Einführung, der Handhabung der Boote, Stabilisationsübungen auf dem Boot bis zur Wende über backbord kann alles schon angekreuzt werden. „Am nächsten Termin geht es weiter – es wird alles wiederholt und es kommen einige neue Dinge hinzu“, erklärt die Trainerin Melanie Schröer. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stört das wenig, im Gegenteil – sie strahlen alle und versprechen, pünktlich am Start zu sein.


Eine Sportart für jeden Fitnesslevel

Rudersport
In Deutschland hat Rudern eine über 150-jährige Tradition. Heute ist Rudern aber nicht nur Wettkampfsport und Olympische Disziplin, sondern auch ein beliebter Breitensport. Um regelmäßig zu rudern, sollte man eine gewisse Körpergröße (mindestens 1,40 Meter) haben, altersmäßig gibt es nach oben hin keine Grenzen. Da Rudern ein sehr geringes Verletzungsrisiko birgt und schonend alle Muskelgruppen beansprucht, eignet es sich für jeden Fitnessgrad.

RV Esslingen
Der Ruderverein Esslingen hat derzeit etwa 220 Mitglieder und eine lange Tradition: Hervorgegangen ist der Klub aus dem 1906 gegründeten „Schülerruderverein“ der damaligen Oberrealschule Esslingen, seit 1921 firmiert er unter seinem heutigen Namen. Der Breitensport und ein geselliges Vereinsleben werden beim RVE großgeschrieben, im Wettkampfsport ist die Jugendabteilung erfolgreich. Übrigens: Rudernachwuchs wird immer gesucht. Das ideale Einstiegsalter liegt bei etwa zwölf Jahren.